Zwei Jahrzehnte Radfahren und Radbeschilderung in Wachtberg
1998 wurde die Ortsgruppe Wachtberg im ADFC Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg gegründet. Eine Fahrradbeschilderung gab es außerhalb von Bonn kaum. Wie sich dies bis heute weiterentwickelt hat, beschreibt der Sprecher des ADFC in Wachtberg, Andreas Stümer.
1998 wurde die Ortsgruppe Wachtberg im ADFC Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg gegründet. Als passendes Ratsgremium für die Vorstellung schlug der damalige Bürgermeister den Ausschuss für Jugend und Familie vor. Das spiegelte die Ansicht, die damals im Rhein-Sieg-Kreis über die Nutzung des Fahrrads vorherrschte. Entsprechend war die Radinfrastruktur. Eine Fahrradbeschilderung gab es außerhalb von Bonn auch: kleine grüne runde Schilder, die vorrangig holperige Waldwege vorschlugen. Ein paar davon findet man heute noch im Rheinbacher Wald und kann daran gut nachvollziehen, wie sich damals Politik und Verwaltung im Rhein-Sieg-Kreis das Radfahren vorstellten. Und so begegnete man hier auch selten einer Radlerin oder einem Radler.
Immerhin gab es dann seit Mitte der 90'er Jahre die Wasserburgenroute, die mit ihren kleinen blauen Schildern oder Aufklebern sowohl auf dem Hinweg (von Bad Godesberg in den Kottenforst und weiter an Swist und Erft) als auch auf dem Rückweg (von Aachen durch die Eifel und Rheinbach über Wachtberg und Rodderberg) durch unser Gemeindegebiet läuft.
Ein wichtiges Projekt war damals, den Fahrradweg an der L158 aus Bad Godesberg Richtung Meckenheim endlich durchgehend fertigzustellen - nach Jahren der Forderungen und dauernden Absagen. Denn eigentlich hatte die Politik einen vierspurigen Ausbau als Autobahnzubringer im Sinn. Der Radweg an der L158 wurde schließlich doch gebaut, auch durch Interventionen der Wachtberger Politik beim Land und der Stadt Bonn, unterstützt mit einer vom Wachtberger ADFC initiierten Unterschriftenliste.
Anfang der 2000'er Jahre bastelte die Gemeinde aus den bestehenden, wenigen Radwegen, ruhigen Wohnstraßen und mehr oder weniger gut befahrbaren Wirtschaftswegen ein gemeindeeigenes Radnetz zusammen. Es gab zehn Routen und einen Rundkurs, wobei drei davon nicht realisierbar waren. Sie wären zwar zur Vervollständigung eines Netzes nötig gewesen. Aber ohne neu zu bauende Radwege hätte man sie nur unter größter Gefährdung befahren können. Beschildert wurde nach der damals noch neuen Radbeschilderung mit den weißen Schildern und roter Schrift. Damit wurde zur Verwunderung vieler sichtbar, dass man in Wachtberg auch Radfahren konnte. Seitdem findet man diese Routen auch im Ortsplan von Wachtberg.
Wenig später ergänzte das Land NRW das Netz mit drei Landesradwegen. Einer läuft von Mehlem über Niederbachem nach Villip und trifft dort auf den zweiten an der L158 aus Bad Godesberg, zusammen geht es dann weiter nach Meckenheim. Mit dem dritten von Meckenheim über Adendorf und Fritzdorf kann man an der Fritzdorfer Mühle Rheinland-Pfalz erreichen.
Nur an den „Reitern“ an der Fahrradwegweisung war dann zu erkennen, dass eine weitere Aufwertung stattfand. Es wurde ein Netz von zwölf Deutschlandradwegen ausgelobt und in NRW auch beschildert. Dieses ist so Teil eines europaweiten Netzes aus 19 Europaradwegen von etwa je 5000km Länge. Entlang des Rheins verlaufen mit den Deutschlandradwegen Nr. 4,7,8 drei davon. Zwei biegen in Mehlem nach Niederbachem ab und durchqueren die Eifel nach Aachen. Mit Nr. 4 wird die Mittellandroute bezeichnet, die von Zittau über Dresden und Erfurt schließlich die Sieg erreicht, mit Nr. 7 die Pilgerroute von Flensburg über Hamburg, Bremen, Münster und Düsseldorf an den Rhein. Europaweit ist das ein Teil der Route von Trondheim in Norwegen bis Santiago de Compostela in Spanien (Eurovélo, E3 und E4).
An dieser Stelle gerät nun aber das Wasser in den Wein. Bei all diesen „neuen“ Routen wurde außer der Beschilderung nichts neu gebaut oder saniert. Auf Wachtberger Gebiet wurde einfach auf das ortseigene Netz zurückgegriffen. So verlaufen die Deutschland- oder Europaradwege vom Rhein nach Berkum (Wachtberg-Route 3), und weiter über Villip nach Meckenheim (Wachtberg-Routen 1 und 6). Es bleibt abzuwarten, ob sich die Vorgabe im Radgesetz NRW 2021, überregionale Routen vorrangig zu verbessern und auszubauen, auch auf Wachtberger Gebiet auswirken wird. Das Desinteresse, dass das Land für die Anlage eines Fuß- und Radweg entlang der L123 zwischen Berkum und Adendorf seit Jahrzehnten demonstriert, nährt nicht unmittelbar Hoffnungen.
Aber noch weitere Routen sind in den letzten Jahren hinzugekommen: Das Knotennetz der „Radregion Rheinland“und die Schleifen der Apfelroute im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis. Zu erkennen sind sie weitgehend an den „Reitern“ auf den bekannten rot-weißen Schildern, neue Radwege wurden aber auch dafür nicht gebaut. Immerhin gibt es einige neue Rastplätze an der Apfelroute mit Tischen, Bänken und für die ganze Familie spannenden Informationstafeln zum Thema Apfelanbau. Und an den Knotenpunkten der „Radregion Rheinland“ findet man Übersichtstafeln über die Radwege des Umfeldes.
So bleibt es in Wachtberg vorrangig ein Thema für die Gemeinde und den Rhein-Sieg-Kreis, die Lücken im Radwegenetz zu schließen. In letzter Zeit gibt es dazu einige ermutigende Ansätze. So ist das erste Teilstück des neuen Radwegs am Wachtbergring fertig und sehr gut gelungen, der Sprecher des RSK stellte den Weiterbau vom „Rentnerweg“ in Villip bis zum Kreisverkehr am Einkaufszentrum in Aussicht (Wachtberg-Route 4). Nach den Ausbauten einiger Wirtschaftswege zu sehr gut zu befahrenden Radroutenteilen im Wachtberger Netz im Jahr 2020 wird auch die Verbindung am Haus Holzem zwischen Berkum und Arzdorf bald fertig, wenn auch nach vielen Querelen und weit weniger attraktiv als notwendig (Wachtberg-Route 2). Wir hoffen sehr auf die Verwirklichung weiterer bereits beschlossenen Maßnahmen – wie etwa die Ausweisung von Stumpebergweg und Berkumer als Fahrradstraßen und die Fertigstellung der Radpendlerroute nach Pech. Über einen auch barrierefrei zu begehenden Fuß- und Radweg Ließem-Lannesdorf wird aktuell diskutiert. Und auch in weiteren Ortsteilen stehen Sanierungen, Aus- und Neubauten auf der Agenda, wie etwa die Ausweisung von Austraße und Mehlemer Straße als Fahrradstraßen.
Und so hoffen wir, dass nach den Routenfestlegungen und Beschilderungen der letzten zwei Jahrzehnte jetzt die notwendigen baulichen Maßnahmen folgen. Um das Wachtberger Radnetz mit seinen vielfältigen Routen und Möglichkeiten so fertigzustellen, dass es überall gut zu befahren ist, die Naherholung und der Tourismus nachhaltig gefördert und es attraktiv wird, Arbeits-, Schul-, Einkaufs- und Freizeitwege mit dem Rad statt mit dem Auto zurückzulegen. Dann würde auch der Verkehrssektor in Wachtberg die Verpflichtung erfüllen, seinen Beitrag zum Klimaschutz und zur Erhaltung der Gesundheit seiner Einwohner und Gäste zu leisten.
Andreas Stümer, Sprecher der ADFC-Ortsgruppe Wachtberg